isch – Klick – Scroll. Nur mal kurz die Nachrichten checken, schnell ein Like dalassen, dann zurück zur Mail. Oder doch noch kurz den Wetterbericht checken… Kommt dir das bekannt vor? Doch wann wird aus der Gewohnheit eine Mediensucht oder Smartphone-Sucht?
„Wenn ich Dinge vernachlässige, die mir früher Spaß gemacht haben – das Lauftraining, der Kochkurs, Freunde treffen – dann sollten die Alarmglocken klingeln“, sagt Manfred Patzer-Bönig im Interview mit unserer Redaktion. Der 51-Jährige arbeitet bei der Landesstelle für Suchtfragen Schleswig-Holstein e.V. und ist zudem Pressesprecher des Fachverbands Medienabhängigkeit.
„Wir leben in einer Dauerbeschallung aus Reizen und merken oft gar nicht, wie sehr uns das stresst“, so Patzer-Bönig. Was mit harmlosen Gewohnheiten beginnt, könne schnell kippen. Besonders kritisch sieht er, dass unser Gehirn kaum noch zur Ruhe komme. Kreativität und Erholung bleiben auf der Strecke, dabei brauche das Hirn genau diese Pausen, um wieder aufnahmefähig zu sein. Die gute Nachricht: Das sei reversibel. „Wenn wir ab und zu mal länger abschalten, zum Beispiel im Urlaub, kann sich das Gehirn tatsächlich wieder erholen.“
Die WHO führt Medienabhängigkeit mittlerweile als eigenständige Verhaltenssucht. Rund 1,2 Millionen Jugendliche in Deutschland gelten laut Studien als betroffen. Doch auch Erwachsene sind nicht immun – selbst während der Arbeitszeit: Zwischen Zoom-Meeting und Kaffeepause schnell bei WhatsApp nachschauen, mittags von Instagram zu TikTok und wieder zurück scrollen, in der Bahn die Mails vom Abend beantworten? Alltag.
Für Patzer-Bönig braucht es Prävention auf zwei Ebenen: Verhalten und Verhältnisse. Menschen müssten ihr Nutzungsverhalten reflektieren und digitale Reize bewusst reduzieren. Etwa durch bildschirmfreie Zeiten, Push-Pausen oder handyfreie Zonen. Gleichzeitig sei es jedoch nicht fair, die ganze Verantwortung dem Einzelnen zuzuschieben, während eine milliardenschwere Industrie an jeder Sekunde Bildschirmzeit verdient, meint er. Es brauche klare Regeln, auch im Arbeitskontext, und mehr öffentliche Diskussion. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) spiele auch hier eine Rolle.
Für Digital-Detox müsse niemand dafür gleich ins Kloster ziehen, betont der Experte für Medienabhängigkeit sinngemäß. Aber kleine Schritte – das Handy bewusst zur Seite legen, Mails nur noch zu festen Zeiten lesen, die Laufstrecke mal nicht mit der Smartwatch tracken oder ein Wochenende offline bleiben – könnten helfen, sich wieder mehr Raum und Ruhe zurückzuholen. Das Digitale solle nicht die Kontrolle über das Leben von uns haben, so Patzer-Bönig: „Ich muss der Chef im Ring bleiben – das ist meine zentrale Botschaft.“