m Jahr 2007 ging eine sensationelle Schlagzeile durch die internationale Presse: Der glücklichste Mann der Welt war gefunden worden!
Es handelte sich sich um Matthieu Ricard, einen Mann mit einem außergewöhnlichen Lebenslauf: Der Sohn eines bekannten französischen Philosophen und einer Künstlerin hatte Anfang der 1970er-Jahre einen Doktortitel in Molekulargenetik erworben, zog dann aber in den Himalaya, um dort als buddhistischer Mönch zu leben.
Der Titel des "glücklichsten Mannes der Welt" ging auf eine Studie der Universität von Wisconsin-Madison zurück, bei der Ricards Gehirn während einer Meditation gescannt wurde. Unter Hunderten von Teilnehmenden wies Ricard die mit Abstand höchsten Werte bei den Gamma-Aktivitäten auf. Das sind Gehirnwellen, die mit dem Wohlbefinden zusammenhängen.
Ricard selbst hält wenig von diesem Etikett: "Das ist eine unsinnige Vorstellung", sagte er etwa dem britischen "Guardian". "Denken Sie nur zwei Sekunden lang nach. Wie können wir den Glückszustand von acht Milliarden Menschen kennen? Vielleicht gibt es irgendwo jemanden, der die ganze Zeit glückselig ist."
Dass Ricard einiges vom Glücklichsein versteht, steht allerdings außer Frage. Seit Jahrzehnten widmet er sich der wissenschaftlichen Erforschung von Meditationstechniken. Er hat mehrere Bücher verfasst, darunter den einschlägigen Ratgeber "Glück". Sein Leitgedanke: Glücklich sein ist eine Fähigkeit, die jeder Mensch lernen kann.
Einen Wettbewerb sollte man daraus dagegen nicht machen. "Der Vergleich ist der Killer des Glücks", erklärte Ricard in einem Gespräch mit "GQ". Dabei ist nicht nur der Blick auf den Besitz anderer ein Problem. Gerade in den sozialen Medien sehen wir uns ständig mit vermeintlich immer glücklichen Menschen konfrontiert – die aber natürlich immer nur die schönen Seiten ihres Lebens zeigen.
Eine Studie von Forschenden aus Polen und Schweden zeigt, dass sich viele Menschen unter Druck gesetzt sehen, die "richtigen", von der Gesellschaft erwarteten, Emotionen zu fühlen. Das kann vor allem problematisch werden, wenn unangenehme Gefühle nicht zugelassen werden.
Eine Arbeit der Seoul National University kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen, die ihre negativen Emotionen verdrängen, tatsächlich unglücklicher sind als diejenigen, die sich damit auseinandersetzen.
Machen wir uns zu viel Druck auf der Suche nach dem Glück? Einige Forschende stellen derzeit den Aspekt der Zufriedenheit in den Vordergrund. Das bedeutet, sich in der gegenwärtigen Situation einzurichten, anstatt dem Glück hinterherzujagen. Studien zeigen, dass Zufriedenheit das Wohlbefinden nachhaltiger stärkt als andere Emotionen.
Ähnlich argumentiert auch Ricard, wobei er – für einen Mönch vielleicht überraschend – nicht zwangsläufig den Verzicht auf Annehmlichkeiten predigt: "Es wäre absurd etwas aufzugeben, das tatsächlich zum Glück beitragen könnte. Aber angenehme Empfindungen sind nicht von Dauer und garantieren nicht von sich aus das Glück." Man dürfe sich daher nicht von ihnen abhängig machen.
Für Ricard ist Altruismus ein zentraler Wert auf dem Weg zum Glück – ihm hat er ebenfalls ein Buch gewidmet. Der "GQ" erklärt er es so: "Altruistische Liebe ist die Idee: Mögen andere Glück und die Ursache für Glück finden. Warum sollte man das nicht für jeden wünschen? Warum jemanden ausschließen?" Wer anderen dabei hilft, glücklich zu sein, wird also selbst glücklich – eben durch Kooperation statt Wettbewerb.